Gute Wissenschaftliche Praxis und FDM
Ein Überblick über die Leitlinien der DFG
Gutes Forschungsdatenmanagement ist ein essenzieller Bestandteil der Guten Wissenschaftlichen Praxis. Daher hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) den Umgang mit Forschungsdaten an verschiedenen Stellen in ihre Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis (Kodex GWP) aufgenommen. Alle deutschen Hochschulen und wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen müssen den Kodex GWP rechtsverbindlich umgesetzt haben, um Fördergelder der DFG erhalten zu können. Informieren Sie sich daher unbedingt über die genauen Vorgaben Ihrer Forschungseinrichtung zur Einhaltung der Guten Wissenschaftlichen Praxis. Diese können ggf. über die Inhalte des Kodex hinausreichen. An dieser Stelle sei erwähnt, dass – sofern nicht explizit anders angegeben - alle an Publikationen beteiligten Autor*innen GWP-bezogene Verantwortung tragen, nicht nur Erstautor*innen.
Elf der 19 Leitlinien des Kodex GWP beschreiben ausschließlich oder in Teilaspekten den Umgang mit Forschungsdaten. Im Folgenden werden die für das Forschungsdatenmanagement relevanten Inhalte des Kodex GWP vorgestellt.
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Leitlinie 7: Phasenübergreifende Qualitätssicherung
Die Regeln Guter Wissenschaftlicher Praxis verlangen von Wissenschaftler*innen, dass jeder Teilschritt im Forschungsprozess lege artis durchgeführt wird („nach den Regeln der Kunst“). Für den Umgang mit Forschungsdaten bedeutet das, dass sie unter Berücksichtigung der Standards des jeweiligen Fachs erhoben, verarbeitet und analysiert werden müssen. Eine gute Dokumentation hilft dabei, die Datenherkunft sowie den Umgang mit den Forschungsdaten lückenlos und nachvollziehbar zu belegen, z.B. durch das Führen eines Elektronischen Laborbuchs. Unstimmigkeiten oder Fehler in Datensätzen sollten so schnell wie möglich kommuniziert und berichtigt werden. Die gleichen Grundsätze gelten auch für den Umgang mit Forschungssoftware.
Leitlinie 8: Akteure, Verantwortlichkeiten und Rollen
Die Rollen und Verantwortlichkeiten der beteiligten Personen müssen zu jedem Zeitpunkt des Forschungsprozesses geklärt sein. Dies gilt auch für den Umgang mit Forschungsdaten. Datenmanagementpläne bzw. Softwaremanagementpläne, die anhand des Forschungsdatenzyklus strukturiert sind, sollten genutzt werden, um die Verantwortlichkeiten für alle Projektbeteiligten transparent zu machen.
Leitlinie 9: Forschungsdesign
Die Recherche des aktuellen Forschungsstands sollte eine Suche nach bereits veröffentlichten Datensätzen beinhalten, damit diese für die Planung eines Forschungsvorhabens berücksichtigt werden können. Hierfür kann man auf Datenjournale und Repositorien zurückgreifen, die passende Datensätze enthalten, oder über Portale und Index-Services über mehrere Datenquellen hinweg suchen. Konkrete Möglichkeiten, vorhandene Datensätze zu finden, werden im Text Forschungsdaten finden vorgestellt.
Leitlinie 10: Rechtliche und ethische Rahmenbedingungen, Nutzungsrechte
Rechtliche Regelungen und sich daraus ergebende Pflichten müssen beim Erheben, Speichern, Analysieren und Veröffentlichen von Forschungsdaten so früh wie möglich mitbedacht werden. So unterliegt die Verarbeitung, Weitergabe und Veröffentlichung von personenbezogenen oder sensiblen Daten ebenso wie von Daten aus dem Bereich der sicherheitsrelevanten Forschung rechtlichen Schranken (z.B. Datenschutz, Exportkontrolle). Doch auch bei weniger problematischen Datensätzen spielen unter Umständen urheberrechtliche Einschränkungen, Regelungen und Bestimmungen aus Verträgen mit Dritten (z.B. Kooperationsverträge, Vorgaben von Fördergebern oder auch Geheimhaltungsabreden) eine Rolle. Es ist daher immer ratsam, Zugangs- und Nutzungsrechte frühzeitig (schriftlich) zu regeln, um Konflikten vorzubeugen.
Auch ethische Überlegungen sollten beim Arbeiten mit Forschungsdaten immer eine Rolle spielen: Mit welchen Risiken ist die Erhebung oder Veröffentlichung der jeweiligen Daten verknüpft? Entstehen dadurch Nachteile für (vulnerable) Personen oder Personengruppen? Sind damit Gefahren für Gesellschaft oder Umwelt verbunden? Ist es vertretbar, Daten nachzunutzen, die unter ethisch fragwürdigen Bedingungen erhoben wurden? Dabei ist eine Abwägung zwischen dem möglichen Risiko und dem zu erwartenden Nutzen vorzunehmen. Ein Beispiel für ein Regelwerk, das ethische Überlegungen in die Arbeit mit Forschungsdaten einbringt, sind die CARE-Prinzipien.
Leitlinie 11: Methoden und Standards
Um die Zuverlässigkeit (Qualität) wissenschaftlicher Ergebnisse sicherstellen zu können, müssen diese durch andere Forschende überprüfbar sein (Replizierbarkeit). Damit dies in der Praxis funktioniert, müssen sich alle Forschenden an gemeinsam vereinbarte Regeln bei der Durchführung von Forschungsvorhaben halten. Neben der Replizierbarkeit wird dadurch auch die Vergleichbarkeit und Übertragbarkeit von Forschungsergebnissen sichergestellt. Daher fordert der Kodex GWP, dass Forschende etablierten Standards folgen.
Für die Erhebung, Verarbeitung und Veröffentlichung von Forschungsdaten bedeutet dies insbesondere, dass Forschende etablierte technische Standards verwenden sollen. Beispiele sind Dateiformate (z.B. csv), Metadatenvokabulare (z.B. Dublin Core), Persistente Identifikatoren (z.B. DOI) oder etablierte Lizenzen (z.B. Creative Commons).
Methoden und Standards sind oft disziplinspezifisch. Daher sind Forschende verpflichtet, zusätzliche Anforderungen ihrer jeweiligen Disziplin, die über den Kodex GWP hinausgehen, zu berücksichtigen und sich über den aktuellen Stand auf dem Laufenden zu halten. Hilfreich hierfür sind die Fachgesellschaften, von denen viele bereits eigene Policies zum Umgang mit Forschungsdaten erarbeitet haben, sowie die in den Konsortien und Sektionen der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) erarbeiteten und etablierten Richtlinien.
Wenn Forschende aktiv neue Methoden entwickeln und anwenden fordert der Kodex GWP, dass dabei besonderer Wert auf die Qualitätssicherung und Etablierung von Standards gelegt wird.
Leitlinie 12: Dokumentation
Forschungsdaten sind ohne Kontextinformationen in den meisten Fällen wertlos. Es müssen daher wichtige Grundinformationen und Details zum Forschungsvorhaben und dem Datensatz in Form von Metadaten dokumentiert werden. Dazu gehören explizit auch Einzeldaten und Versuchsreihen, die nicht zu den eigentlichen Ergebnissen gehören, aber für das Verständnis (und die Reproduzierbarkeit) der Ergebnisse wichtig sind. Damit sind auch Daten gemeint, die eine Forschungshypothese nicht (!) stützen. Bei der Entwicklung von Forschungssoftware bezieht sich die Dokumentationspflicht auf den Quellcode. Bei der Wahl der Dokumentationsform ist darauf zu achten, dass Dokumentationen bestmöglich vor Manipulation geschützt werden müssen. Die Methode der Dokumentation von Forschungsdaten und -ergebnissen sollte dies gewährleisten.
Es gibt im gesamten deutschsprachigen Raum FDM-Beratungsstellen an Forschungseinrichtungen oder im Rahmen von Projekten, die Forschenden bei der Wahl einer geeigneten Dokumentationsform behilflich sind. Bei der Entscheidung für ein Dokumentationsverfahren sollten fachspezifische Standards ebenso berücksichtigt werden, wie standardisierte Vorgaben für eine Publikation und Archivierung der Daten (etwa in einem Repositorium).
Leitlinie 13: Herstellung von öffentlichem Zugang zu Forschungsergebnissen
Wissenschaft lebt vom offenen Austausch. Daher ruft der Kodex GWP Forschende dazu auf, zusätzlich zu den Ergebnissen ihrer Forschung auch die zugrunde liegenden Forschungsdaten und den Code der Software, die zur Analyse verwendet wurde, anderen Forschenden zu Verfügung zu stellen. Hierbei sind insbesondere die FAIR-Prinzipien zu berücksichtigen, deren Ziel es ist, Forschungsdaten wiederverwendbar zu machen. Idealerweise sollen Forschungsdaten in öffentlichen Repositorien unter offenen Lizenzen veröffentlicht werden. Gründe, die in Ausnahmefällen gegen eine Veröffentlichung von Forschungsdaten sprechen, sind insbesondere Urheberrecht, Datenschutz und ethische Gründe.
Leitlinie 14: Autorschaft
„Autorin oder Autor ist, wer einen genuinen, nachvollziehbaren Beitrag zu dem Inhalt einer wissenschaftlichen Text-, Daten- oder Softwarepublikation geleistet hat.“ Unter diese Definition fallen ausschließlich wissenschaftserhebliche Beiträge, d.h. relevante Beiträge zum wissenschaftlichen Inhalt der Publikation. Darunter versteht man insbesondere:
- Entwicklung und Konzeption des Forschungsvorhabens
- Erarbeitung, Erhebung, Beschaffung, Bereitstellung von Daten, Software oder Quellen
- Analyse/Auswertung oder Interpretation der Daten, Quellen und Mitarbeit an den aus diesen folgenden Schlussfolgerungen
- Verfassen des Manuskripts
Mit Contributor Statements oder Taxonomien, wie der CREdiT-Taxonomie, können die Beiträge der einzelnen Autor*innen einer Publikation für Lesende zusätzlich transparent gemacht werden.
Nicht wissenschaftserhebliche Beiträge können in Form von Fußnoten, im Vorwort oder als Acknowledgement honoriert werden. Explizit ausgeschlossen werden „Ehrenautorschaften“ oder auch die automatische Autorschaft von Personen in Leitungs- bzw. Vorgesetztenfunktion, die keinen relevanten Beitrag im o.g. Sinne geleistet haben.
Die Publikation eines Werks bedarf der Zustimmung aller Autor*innen. Diese Zustimmung darf nur aus hinreichendem Grund verweigert werden, z.B. wegen belegbarer Mängel an Daten, Methoden oder Ergebnissen. Weiterführende Informationen finden sich im Text GWP-Konflikte und Forschungsdaten.
Autor*innen sind dafür verantwortlich, dass die Publikationsorgane ihre Forschungsbeiträge so kennzeichnen, dass sie korrekt zitiert werden können. Dies können Forschende unterstützen, indem sie Forschungsdaten mit Metadaten auszeichnen und persistente Identifikatoren verwenden.
Leitlinie 15: Publikationsorgan
Wie bereits in Leitlinie 13 gefordert, sollen Forschungsdaten so weit wie möglich publiziert und damit für eine Nachnutzung zur Verfügung gestellt werden. Forschungsdaten sollten in Datenrepositorien veröffentlicht werden, die den zuverlässigen und dauerhaften Zugriff auf die Daten ermöglichen. Zur Beurteilung der Qualität von Repositorien wurden Zertifizierungen entwickelt, insbesondere das CoreTrustSeal oder das nestor-Siegel. Eine Übersicht über Repositorien für Forschungsdaten bietet re3data.
Leitlinie 17: Archivierung
Um wissenschaftliche Ergebnisse überprüfbar zu machen, müssen Forschungsdaten und Forschungssoftware für einen angemessenen Zeitraum gesichert aufbewahrt werden, üblicherweise für die Dauer von zehn Jahren. Zu Archivieren sind alle Daten, die in der Forschung gewonnen wurden, auch wenn diese nicht zu einer Publikation geführt haben oder nicht für die publizierten Ergebnisse verwendet wurden. Ausnahmen hiervon oder von der Aufbewahrungsdauer sind gut zu begründen. Diese können sich insbesondere durch rechtliche Anforderung zum Datenschutz personenbezogener Daten sowie aus praktischen Gesichtspunkten bei außergewöhnlich großen Datenmengen ergeben.
Institutionen müssen ihren Forschenden einen Dienst für die Archivierung von Forschungsdaten bereitstellen, der eine sichere Speicherung sowie den Zugriff auf die hinterlegten Daten ermöglicht.
Leitlinie 19: Verfahren in Verdachtsfällen wissenschaftlichen Fehlverhaltens
Verstöße gegen die gute wissenschaftliche Praxis im Umgang mit Forschungsdaten weisen ein breites Spektrum von unsauberem Arbeiten bis zur Verfälschung oder gar Erfindung von Daten auf. Von wissenschaftlichem Fehlverhalten spricht man erst, wenn vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen die von der jeweiligen Forschungseinrichtung erlassenen Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis verstoßen wurde. Informieren Sie sich in unserem Überblick über das Vorgehen bei GWP-Konflikten und erkundigen Sie sich, wie bei Ihrer Forschungseinrichtung der Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten geregelt ist.
Zitiervorschlag (Chicago)
Redaktion von forschungsdaten.info. „Gute wissenschaftliche Praxis und FDM“. forschungsdaten.info, 12. September 2024. https://forschungsdaten.info/themen/ethik-und-gute-wissenschaftliche-praxis/gute-wissenschaftliche-praxis-und-fdm/.